Tag 0 verpasst – und nichts ist passiert?

Halt, war nicht gestern dieser Tag, dieser Tag, auf den die weiterdenkerin und der weiterdenker ihren Countdown (mit einigen Aussetzern) runter gezählt haben.

Hat am Schluss etwa auch noch der grosse Start, der grosse Neuanfang, ausgesetzt. Was war denn jetzt nur los am 5. Oktober 2014?

 

 

Also, lassen wir die Katze aus dem Sack – bei uns beiden ist nichts passiert, weder geplant noch ungeplant, weder beruflich noch privat, weder eine neue Firma noch ein fünftes Kind.

Enttäuscht? Falsche Erwartungen gehegt? Falsche Erwartungen aufgebauscht?

 

 

Aber irgendetwas muss doch gewesen sein?

Oh ja, am 5. Oktober 2014 ist sehr wohl etwas passiert, das relevant ist, das möglicherweise sogar sehr relevant werden wird. Aber was bloss? Tageszeitung aufschlagen, im gestrigen Internet surfen (ach, das geht ja so schlecht) … was war es denn bloss?

Ganz ehrlich, ich musste gestern auch lange suchen, bis ich aktuelle deutschsprachige Medienberichte darüber gefunden habe. Etwas, was direkt 1,1 Milliarden Menschen bewegt, und 1 weitere Milliarden Menschen wohl indirekt. Und die Medien schreiben nicht darüber? So viel zum Thema Meinungsbildung durch die Medien.

Am 5. Oktober 2014 hat in Rom eine ausserordentliche Generalversammlung der Bischofssynode begonnen.

Und das soll wichtig sein? Nun ja, 1,1 Milliarden Katholiken sind direkt betroffen, denn noch immer ist der Vatikan einer der grössten und einflussreichsten Think Tanks der Welt.

Auch wenn wir Mitteleuropäer das aus unserer Nabelschau heraus nicht wahrnehmen wollen. Auch wenn die katholische Kirche gerade in der Schweiz (in den letzten 100 Jahren von 43% auf 38% der Wohnbevölkerung gefallen), gerade in Basel (in den letzten 30 Jahren von 29% auf 15% der kantonalen Wohnbevölkerung gefallen), an Bedeutung verlieren.

Wie heissen doch gleich wieder diese Megatrends? „Globalisierung“? Und „Cyber Space“? Aha, unsere regionale Nabelschau und unsere regionale kirchenpolitische Agenda sind vielleicht gar nicht so wichtig, weil es da draussen noch eine andere Welt gibt?

Und was ist wieder das Thema dieser Bischofskonferenz? Die Familie.

Aha, jetzt kommen wir der Sache näher, weshalb das uns sehr wohl etwas angeht.

Denn immerhin werden der weiterdenker und die weiterdenkerin nächstes Jahr ein Vierteljahrhundert verheiratet sein und haben dabei Höhen und Tiefen erlebt und überlebt.

Und wir sind in dieser Zeit vierfache Eltern geworden und wollen diese Kinder bewusst erziehen und auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben schrittweise begleiten.

Und die Wahl zukünftiger Partnerinnen und Partner und die Wahl der Beziehungsform und des Zivilstandes werden dabei sehr konkret werden.

Übrigens hat sich die katholische Kirche hat relativ breit auf diese Synode vorbereitet und eine breite Umfrage durchgeführt.

Und die deutschsprachigen Medien haben gestern sehr wohl darüber berichtet, auch wenn ich gezielt suchen musste, beispielsweise:

Und in der Schweiz? Nun ja, hier wurde ich im schweizerischen Medienwald jenseits der katholischen Pfarrblätter nur einmal fündig:

Aus medialer Sicht scheint also „Familie“ primär etwas mit „Sex“ zu tun zu haben?

Andere Kirchen haben sich vor kurzem ebenfalls platziert – die eine wollte zeigen, wie modern sie ist und was sie unter Kirche im 21. Jahrhundert versteht – die Evangelische Kirche in Deutschland – und hat damit innerkirchlich sehr viel Opposition ausgelöst.

Wie auch unser Hoffnungsbarometer zeigt, sind Themen um Ehe und Familie hochaktuell.

Und die Fragen um die Rechtsform und den Zivilstand gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sind politisch hochaktuell. Und im direkten Zusammenhang damit das Verständnis, was eigentlich Eltern sind und wer unter welchen Umständen Eltern werden darf und wer nicht.

Und mit diesem Themenbereich wollen sich der weiterdenker und die weiterdenkerin zukünftig auf ihrem gemeinsamen Blog auseinandersetzen. Denn diese Themen will ich nicht einfach den staatlichen Experten und den Kirchen überlassen – diese Themen gehen uns alle etwas an.

Wie werden denn nun Beziehungsformen der Zukunft aussehen? Eheliche und andere? Und wie wird die Familie der Zukunft aussehen? Und was bedeutet das für den Mann der Zukunft und für die Frau und die Kinder?

Ist es denn für einen Zukunftsforscher nicht rufschädigend, wenn er sich aktiv und öffentlich mit so konservativen Themen wie der katholischen Kirche und dem christlichen Ehe- und Eltern- und Familienverständnis auseinandersetzt? Diese Frage wurde mir allen Ernstes mehrfach gestellt.

Doch, wir sind zutiefst von der Wichtigkeit dieser Themen überzeugt, denn die meisten von uns sind ganz konkret und hoch emotionell davon betroffen. Auch wenn diese Themen in dieser Form in meiner Berufsbranche kaum diskutiert werden. Denn die Zukunftsforschung beschäftigt sich meistens mit „wichtigen“ Themen aus der Wirtschaft, oder aus den Bereichen Energie, Umwelt, Klima. Oder aus dem Cyber Space.

Aber wie werden nun die Zukunft von Ehe und Familie aussehen? Das überlassen wir nicht nur der Ausserordentlichen Bischofssynode in Rom.

Damit beschäftigen auch wir uns zukünftig auf unserem gemeinsamen Blog, der hiermit einen Neustart erfährt.

So wie auch eine Ehe wieder und wieder Neustarts erfahren muss.

Denn schliesslich soll unserer Lebensabschnitt der gemeinsamen Ehe lange dauern, so Gott will sehr lange. In einer Welt, die sich ändert und die unsere Bedürfnisse und unsere Wahrnehmung und unsere Werte beeinflusst. Und die auch Formen und Inhalte von Ehe und Familie beeinflusst.

Noch 3 Tage – Papa, wann sind wir endlich da?

Welcher Familienvater am Steuer auf der Reise in den Urlaub kennt nicht das ungeduldige Drängeln seiner Kinder: Papa, sind wir endlich da? Papa, ist es noch weit? Papa, ist hier schon Urlaub?

Und wir erkennen, wie subjektiv das Verständnis von Zeit ist. Wie unmenschlich die Erfindung von Uhr und Kalender jenseits von Tageszeit und Jahreszeit war. Uhren sind Maschinen. Menschen unterwerfen ihr Leben den Uhren. Ergo sind auch Menschen Maschinen. Werden von Artificial Intelligence beseelte Roboter eigentlich zukünftig ihr Leben auch nach ihrer Uhr richten? Und wann wird die Uhr der Roboter abgelaufen sein?

Und wehmütig denken wir Väter zurück an unsere Schulsommerferien als Buben, als drei Wochen im Sommer ewig dauerten. Insbesondere, wenn wir alleine waren. Insbesondere, wenn alle Schulfreunde anderswo im Urlaub waren und wir niemanden zum Spielen gefunden haben. Insbesondere, wenn wir nach dem Mittagessen noch drei Stunden lang warten mussten, bis um 17 Uhr endlich das Kinderprogramm im TV begann. Und wir dann wieder eine Woche warten mussten, bis die Fortsetzung der Serie ausgestrahlt wurde.

„Die Jugend wäre eine schönere Zeit, wenn sie erst später im Leben käme“ erkannte schon Charles Chaplin.

Und heute? Wie häufig ärgern wir uns, wenn wir drei Stunden lang nichts geleistet haben, nichts Sinnvolles unternommen, nichts Produktives vollbracht haben. Sogar im Urlaub – wie können wir uns über drei verschwendete Stunden ärgern. Oder über unsere Frauen, wenn wir ihretwegen erst 30 Minuten zu spät losfahren können. Oder wegen unserer Kinder, wenn sie 30 Minuten zu spät vom Fussballspielen zum Essen auftauchen. Oder wegen des Trams, das schon wieder drei Minuten Verspätung hat. Ausser – wir haben wieder drei Stunden an unserem Computer im Cyber Space verbracht. Das ist natürlich etwas ganz anderes.

Pünktlichkeit scheint eine der wichtigsten menschlichen Tugenden in der zivilisierten Welt zu sein. Wehe, wenn unsere Kinder unentschuldigte Verspätungen in ihrem Schulzeugnis ausweisen, weil sie 3 Minuten zu spät im Klassenzimmer auftauchten – welcher Lehrbetrieb wird nicht sofort unverzeihend die Stirne runzeln, wenn er das Zeugnis unserer Kinder prüfend in der Hand halten wird …

Schon Seneca warnte: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Und der grosse Denker und Präger der europäischen Aufklärung Gotthold Ephraim Lessing lehrte: „Bester Beweis einer guten Erziehung ist die Pünktlichkeit.“ Wer hatte eigentlich damals im 18. Jahrhundert schon eine eigene und exakte Uhr?

Schliesslich ist Zeit ja Geld. Und gesparte Zeit ist gespartes Geld. Die wir auf unserem Zeitsparkonto ansparen können. Und dann mit Zinsen und Zinseszinsen wieder beziehen können, wenn wir sie brauchten. Für unsere Frauen. Oder für unsere Kinder. Oder für unsere Freunde. Oder wie ging schon wieder Michael Endes Geschichte über Momo, die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte?

Wissen Sie, was sterbende Männer auf dem Sterbebett am meisten bereuen? «Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet». … Und dafür mehr Zeit für meine Frau gehabt … Und dafür mehr Zeit für meine Kinder gehabt … Und dafür mehr Zeit für meine Freunde gehabt … Was wohl zukünftig sterbende berufstätige Frauen und Mütter sagen werden, wenn sie zukünftig endlich die gleichen Chancen auf Karriere in Politik und Beruf erhalten werden, die sie angeblich so dringlich fordern?

Und plötzlich sind die drei Tage eines langen Wochenendes vorbei. Aber erholt haben wir uns nicht. Vor lauter Sorge um unsere Zeit.

 

Alles hat seine Zeit. Jedes Ding hat seine Stunde unter dem Himmel.

Das Geborenwerden hat seine Zeit,
und das Sterben hat seine Zeit.
Das Pflanzen hat seine Zeit,
und das Ausroden der Pflanzung hat seine Zeit.
Das Töten hat seine Zeit, und das Heilen hat seine Zeit.
Das Niederreißen hat seine Zeit,
und das Aufbauen hat seine Zeit.
Das Weinen hat seine Zeit, und das Lachen hat seine Zeit.
Das Trauern hat seine Zeit, und das Tanzen hat seine Zeit.
Das Steine werfen hat seine Zeit, und das Steine sammeln hat seine Zeit.
Das Umarmen hat seine Zeit, und das Sich-meiden hat seine Zeit.
Das Suchen hat seine Zeit, und das Verlieren hat seine Zeit.
Das Aufbewahren hat seine Zeit, und das Wegwerfen hat seine Zeit.
Das Zerreißen hat seine Zeit, und das Zusammennähen hat seine Zeit.
Das Schweigen hat seine Zeit, und das Reden hat seine Zeit.
Das Lieben hat seine Zeit, und das Hassen hat seine Zeit.
Der Krieg hat seine Zeit, und der Friede hat seine Zeit.

Noch 5 Tage – The Final Countdown – die Apokalypse scheint unausweichlich

Überraschenderweise existiert in unserer Gesellschaft die weit verbreitete Meinung, dass unsere guten Tage – als die 70 fetten und friedlichen Jahre der Geschichtsschreibung im westlichen Europa und Amerika seit dem 2. Weltkrieg – ein baldiges Ende haben werden. Danach folgen aber nicht in saisonalem Sinne 70 magere Jahre, sondern danach ist aus. Fertig. Schluss. Der Stecker wird gezogen.

Wobei dies bitte die fetten 100 Jahre sein mögen, so dass ich dann das „Danach“ gerade nicht mehr erleben werde.

Oh weh! Weltuntergangsszenarien sind überall zu erkennen, die Zeichen an der Wand sind geschrieben. Propheten sind viele. Der Doom Sayer ist der Vertreter in unserer Zunft der Zukunftsforscher, der die grösste mediale Plattform und die höchsten Honorare als Key Note Speaker erhält. Die Module „Risiko“, „Krise“ und „Katastrophe“ sind entscheidende Module in vielen politischen Programmen und Businessmodellen geworden. Oh Verzeihung, ich meine natürlich die entsprechende Warnung und Vorsorge.

Selten sind Menschen so kreativ und emotional wie in der Beschäftigung mit angsttreibenden Zukünften, die selbstverständlich als sehr vernünftig gelten. Sei es bei der Beschreibung sehr langsamer Prozesse, die über Jahrzehnte hinwegschleichen oder bei einem plötzlichen Tag X:

  • Unser liberales Bildungsbürgertum in Europa pflanzt sich freiwillig nicht mehr fort. Unsere Frauen und Töchter beenden per Fristenlösung ungeborenes Leben in ihrem Mutterleibe, bevor dieses überhaupt erst geboren hat. Und unsere Eltern werden demnächst per „Exit“ frühzeitig den selbstbestimmten Freitod im Alter wählen, sei dies aus Angst vor Altersarmut, vor Alterseinsamkeit, vor Altersverblödung (die neuen Demenz-Prognosen der WHO lassen grüssen) oder vor dem Schmerz und den Leiden von Alterskrankheiten.
  • Stattdessen werden sich fundamentalistische Moslems, orthodoxe Juden, romgetreue Katholiken und freikirchliche Evangelikale ungehindert und schamlos wie die Karnickel vermehren, da sie sich weigern, ihre Kinder in den staatlichen Sexualkundeunterricht zu schicken, und so werden sie die ganzen Errungenschaften von Liberalismus und technischem Fortschritt zu Nichte machen. Das moderne Europa wird den nächsten Kreuzzug also nicht vor Jerusalem sondern in den Gebärkliniken verlieren.
  • Da die Chinesen als einzige Nation wirklich eine langfristige und strategische Zukunftsplanung verfolgen, kaufen sie weltweit die Abbaustätten der knappen Edelmetalle und die privatisierte kritische Infrastruktur auf, so dass die gelbe Gefahr die USA und Europa nach über hundert Jahren doch noch in die Knie zwingen wird. Wie erklärte mir kürzlich ein chinesischer Professor? Der Boxeraufstand und das 20. Jahrhundert seien Anomalien der Geschichte gewesen – in Vergangenheit und Zukunft sei China Weltmacht Nummer 1.
  • Das System der Altersvorsorge und der Sozialversicherungssysteme wird versagen, da unsere Eltern heute überreichlich in Wohlstand und Sicherheit leben, so dass unsere Kinder eine Zukunft in Verschuldung und Armut und neuen Formen der Lohnsklaverei verbringen werden.
  • Finanzmärkte und liberale Wirtschaftsordnung werden versagen. Der Double Dip nach der Börsenkrise 2007/2008 ist immer noch ausstehend.
  • Der Klimawandel wird einem zivilisierten Leben auf Erden definitiv ein Ende setzen. Aufgrund des Temperaturanstieges wird unser Getreide auf den Äckern verdorren. Beziehungsweise die steigenden Meeresspiegel werden uns überfluten. Beziehungsweise eine neue Eiszeit wird uns unter ihren Gletschern bedecken. Oder war die Reihenfolge anders herum?

Übrigens – wenn sie am 22.12.2012 den Weltuntergang gemäss Mayakalender verpasst haben: Hier wären die alternativen Termine. Sowohl die bereits verpassten als auch die noch ausstehenden.

Eine zweite Sintflut scheint für die Menschheit unausweichlich zu sein, aber da im Weltbild unserer aufgeklärten und materialistischen Kultur und Gesellschaft die Rolle eines gnädigen und sich erbarmenden Gottes aus dem Welttheater heraus gestrichen wurde, kann es auch keinen Regenbogen mehr geben.

Und so kann es im modernen Weltbild auch keine „Apokalypse“ mehr geben, denn dies war ursprünglich auch ein religiöser Begriff. Wobei in unserem bildungsbürgerlichen Europa ja keiner mehr humanistisch gebildet ist und deshalb weder altgriechische Begriffe übersetzen kann noch biblische Konzepte kennt. Denn „Apokalypse“ ist nicht etwa das Wort für „Weltuntergang„, sondern für Enthüllung oder Entschleierung, also für „Offenbarung“. Und so übersehen wir auch gerne die Details in den grossen Weltbildern: Heute glauben wir noch so gerne an den Untergang „der“ Welt (aber bitte erst nach unserem eigenen natürlichen Ableben) und somit an das Verschwinden von menschlichem oder zumindest zivilisiertem Leben. Im Konzept der Apokalypse ging es um das Ende „dieser“ Welt, so dass an deren Ende der Schöpfergott dieser Welt eine neue Welt erschaffen wird, um mit den Menschen erneut darin zu wohnen – also eigentlich ein Paradies 2.0.

Wird sich nun in unserem Weltbild zukünftig die Artificial Intelligence ihren Cyber Space alleine erschaffen, um darin zu wohnen ohne störendes menschliches Leben?

Wollen wir einen solchen Countdown wirklich zählen?

Und ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich als pubertierender Jüngling damals mit meinen Eltern geführt habe. Und sie berichteten mir, wie sie 1965 als junge Eltern mit dem Vorwurf konfrontiert worden seien, wie unverantwortlich es sei, angesichts des Kalten Krieges, also unmittelbar vor dem 3. und somit atomaren und somit endgültigen Weltkrieg, überhaupt noch einen Sohn in die Welt zu setzen.

Und so wie damals die Angst vor dem 3. Weltkrieg ein ernst zu nehmendes Thema war, sind auch heute die skizzierten Schreckensszenarien als Ängste in vielen Köpfen präsent und deshalb durchaus ernst zu nehmen.

Ich bin mittlerweile Vater von vier Kindern.

Noch 6 Tage – in Angst oder in Hoffnung?

Ein Countdown ist die Ankündigung einer Veränderung. Veränderungen provozieren Gefühle. Veränderungen fordern heraus. Veränderungen fordern Energie und Anstrengung.

Was wird sich verändern? Werde ich davon betroffen sein? Wird es besser oder schlechter? Grund zur Angst oder Anlass zur Hoffnung?

In Mitteleuropa erleben wir seit Jahren eine sehr positive und erfreuliche Gegenwart. Trotzdem setzt sich nur sehr langsam die Erkenntnis durch, dass wir deshalb eigentlich allen Grund haben, glücklich zu sein. Gefühle wie Zufriedenheit oder Dankbarkeit sind der schweizerischen und deutschen Kultur irgendwie fremd. Diese positiven Gefühle auszusprechen und sichtbar zu leben, sind uns noch viel fremder. Schliesslich könnten wir den Neid unserer Nachbarn auf uns ziehen. Die Bereitschaft, grosszügig und gastfreundlich zu sein und von unserem Überfluss zu teilen, ist nur wenig ausgeprägt. Wer weiss – höchstwahrscheinlich wird es in baldiger Zukunft wieder schlechter und deshalb müssen wir vorsorgen und sparen.

Ängste werden systematisch bewirtschaftet – von den Medien, von der Politik, von der Wirtschaft, von den Religionen. Seit über dreissig Jahren investieren zwei grosse schweizerische Finanzinstitute viel Geld zur Erhebung eines Angstbarometers und eines Sorgenbarometers.

Noch nie konnten wir einen so langen Weg in unsere persönliche Zukunft planen, kein früheres Jahrhundert kannte eine so hohe Lebenserwartung, eine so hohe soziale Sicherheit, eine so hohe innere und äussere Sicherheit. Warum fällt es uns so schwer, dankbar und zufrieden zu sein? Warum fällt es uns so schwer, zuversichtlich zu leben?

Bei jedem neuen Projekt erkennen wir sofort die Risiken. Bei jeder Veränderung erkennen wir sofort die Nachteile. Das Sprichwort „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“ beschreibt die Lebenseinstellung eines manchen von uns.

Übrigens – wir nennen das nicht „Angst“, sondern Vorsicht und Vorsorge. Diese sind ja bekanntlich vernünftig und nicht so naiv und emotional wie „Hoffnung“.

The German Angst

Die deutsche Journalistin Sabine Bode beschreibt in ihrem lesenswerte Buch „Die deutsche Krankheit – German Angst“ dieses Phänomen von Mutlosigkeit, Grübeln und Zögern. Dabei erklärt sie aus historischer und kultureller Sicht die zugrunde liegenden kollektiven Ängste aus der Vergangenheit, die sich als gesellschaftliche Lähmung artikulieren und die uns im deutschsprachigen Mitteleuropa derart hemmen, Veränderungen und Reformen als Chancen zu begreifen. Die sind eine Last für unsere Zukunft.

 

 

 

 

 

 

Vier Grundformen der Angst

Der deutsche Psychoanalytiker Fritz Riemann stellte eine interessante Theorie zur Angst auf. Er definiert vier Grundformen der Angst:

  • die Angst vor der Selbsthingabe, als Ich-Verlust und Abhängigkeit erlebt,
  • die Angst vor der Selbstwerdung, als Ungeborgenheit und Isolierung erlebt
  • die Angst vor der Wandlung, als Vergänglichkeit und Unsicherheit empfunden
  • die Angst vor der Notwendigkeit, als Endgültigkeit und Unfreiheit erlebt

Aus diesen vier Grundformen der Angst leitet Riemann vier Persönlichkeitsstrukturen ab, wobei ich hier speziell auf den „zwanghaften Menschen“ hinweise. Er hat eigentlich Angst vor der Wandlung, diese empfindet er als Vergänglichkeit und Unsicherheit. Deshalb strebt er Dauerhaftes an. Er möchte sich häuslich niederlassen und die Zukunft zuverlässig und exakt vorbereiten und planen. Seine Angst betrifft die Vergänglichkeit, das Irrationale und Unvorhergesehene. Alles Neue ist für ihn ein Wagnis.

Kohärenzsinn

Im Rahmen seiner Theorien zur Salutogenese definierte der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky den „Sense of Coherence“ (SOC) zu Deutsch „Kohärenzsinn„. Drei Aspekte sind zentral, damit ein Mensch Veränderungen in gesunder Weise bewältigen kann:

  • Das Gefühl der Verstehbarkeit: Der Mensch braucht die Fähigkeit, Veränderungen zu erkennen und zu verstehen. Dazu muss er informiert werden, er braucht angemessene Erklärungen – er will keine Heimlichtuerei.
  • Das Gefühl der Handhabbarkeit: Der Mensch will das eigene Leben gestalten können. Er will bei der Planung, Entscheidung und Umsetzung von Veränderungen aktiv partizipieren – er will nicht als Opfer ausgeliefert sein.
  • Das Gefühl der Sinnhaftigkeit. Der Mensch will an einen Sinn in den Veränderungen glauben. Was sind Ursache und Ziel der Veränderungen? Was wird besser und wer wird davon profitieren? Wozu sind höhere Kosten oder sogar Opfer nötig?

Hoffnungsbarometer

Um dem weit verbreiteten Grundgefühl der Zukunftsangst in Mitteleuropa zu begegnen, initiierte ich 2009 als neugewählter Co-Präsident von swissfuture das „Hoffnungsbarometer„. Hoffnung ist in Europa ein sehr vielfältiges Konzept, es enthält unterschiedlichste Aspekte aus Philosophie, Psychologie, Soziologie und Theologie .

Die grossen Hoffnungen in Mitteleuropa betreffen die engsten partnerschaftlichen und familiären Beziehungen – entgegen allen Theorien der Soziologen zur Bedeutung der weak tails auf den Social Medias. Sowie ein gesundes und harmonisches Leben und eine sinnvolle Lebensaufgabe.

Die grossen Partner unserer Hoffnung sind unsere engsten Lebens- und Familiengefährten. Profis aus Wirtschaft oder Kirche rangieren weit hinten.

Noch 7 Tage – oder die Grenzen der Abzählbarkeit

Noch 7 Tage – Halt! Wo ist denn der 8. Tag geblieben? Vergessen? Ein Fehler? Eine Lücke? Ein Planungsirrtum? Eine Krise? Eine Katastrophe? Ein Black Swan oder eine Wild Card?

Wie so häufig im menschlichen Leben stehen wir bei diesem Phänomen vor einem der grossen Irrtümer der heutigen Zeit, der grossen Irrtümer des heutigen Geschäftslebens, die ungehindert auch im politischen und gesellschaftlichen Leben Einzug gehalten haben: dem Irrtum, das menschliche Leben, insbesondere das Beziehungsleben zwischen Menschen, lasse sich wie ein industrieller Prozess planen, berechnen und minutiös per Countdown steuern.

Auch wenn Heerscharen von Consultants und Wissenschaftlern vielen Unternehmern, Managern und Politikern in den letzten Jahren dies erfolgreich weisgemacht haben: Organisierbarkeit hat ihre Grenzen. Ja, die Verschwendung von Ressourcen soll verbessert werden und auch Arbeitszeit kann als Ressource verstanden werden. Ja, Abläufe können verbessert werden. Ja, Verantwortungsbewusstsein und Rechenschaft im Umgang mit Ressourcen ist sinnvoll. Ja, Kybernetik hat uns viele wichtige Erkenntnisse und Fähigkeiten geliefert.

Aber einer impliziten Meinung trete ich ganz entschieden entgegen: der Mensch ist nicht einfach eine Art altmodischer Roboter aus Fleisch und Blut. Der Mensch ist etwas anderes. Eine Firma, insbesondere eine Dienstleistungsfirma, ist kein Fliessband, das nach den Prinzipien der industriellen Produktion funktionieren soll. Eine menschliche Gemeinschaft ist keine grosse fleischgewordene Maschine. In der aktuellen Wirtschafts- und Sozialpolitik sprechen alle davon, dass die Wirtschaft familientauglicher werden müsse. Aber stimmt das tatsächlich? Steht nicht eher die Absicht dahinter, dass die Familie endlich wirtschaftstauglich wird?

Stehen wir heute in der Wirtschaft und in der Gesellschaft nicht in einer zu einem komplexen Labyrinth verschlossenen Sackgasse? Stehen wir nicht vor einem grossen Clash of Cultures? Den die Generation Y irgendwie spürt und aufgreift – und damit ihre Eltern und Vorgesetzten herausfordert – unsere Generation herausfordert. Eine Herausforderung taucht auf, die unsere Generation in den letzten 20 Jahren viel zu wenig thematisiert und debattiert hat. Angesichts von Megatrends wie „Transhumanismus“, „Human Enhancement„, „Cyber Space“ oder „Artificial Intelligence“ müssen wir dringend wieder unsere Menschen- und Weltbilder diskutieren. Unsere Generation hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten um diese Diskussion gedrückt. So war es möglich, dass viele Ressourcen frei geworden sind, die wir in technischen Fortschritt und ökonomischen Wohlstand investieren konnten. Aber heute stehen wir wieder einmal an einer Schwelle, an der wir über diese Paradigmen diskutieren müssen.

Wir müssen prinzipiell darüber sprechen, was die grossen Unterschiede zwischen Menschen und Maschinen sind. In den letzten zwei Jahrhunderten haben wir gelernt, wie Maschinen und industrielle Prozesse funktionieren und wie diese massiv verbessert werden konnten. In den letzten beiden Generationen haben wir versucht, den Menschen wie eine Maschine arbeiten zu lassen und ihn in diese Prozesse und Abläufe hineinzuzwängen. Heute sollten wir beginnen, unsere „Brain Power“ zu verwenden, um zu klären, welche Aufgaben und Funktionen zukünftig eben gerade der Mensch als Mensch übernehmen soll – und was Maschinen, Roboter und Computer wirklich besser, schneller und billiger können.

All Ihr Neurologen und Gehirnforscher dieser Welt – eigentlich wollen wir genau das von Euch wissen – wo sind die qualitativen Unterschiede zwischen einem Gehirn und einem Computer? Was unterscheidet einen Menschen von einem Roboter, den Ihr mit Artificial Intelligence ausstattet?

All Ihr Ethiker, Theologen, Religions-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler dieser Welt – genau das wollen wir von Euch wissen – was sind die Technologiefolgenabschätzungen der neuen Cyber und Brain Technologien für den Menschen an und für sich?

Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn ist immer Dialektik. Die MINT Technologien investieren Millionen über Millionen an eigenem Kapital und an öffentlichen Fördermitteln in ihre These – wo ist Eure Antithese? Und welche Synthese soll dann unsere Zukunft ermöglichen?

Angesichts von Kreuzzügen, 30-jährigem Krieg und Sonderbundskrieg haben wir religiöse Diskussionen als Tabu erklärt und nur noch im privaten Kreise toleriert. So haben wir viele gesellschaftliche und politische Probleme in den letzten beiden Generationen ausklammern können. Angesichts der Spannung des Kalten Krieges im letzten Jahrhundert haben wir in den letzten 20 Jahren die grossen kontroversen Block-Diskussionen tabuisiert. Angesichts der laufenden Megatrends stehen wir heute in einer neuen Phase, in der wir grundsätzliche Diskussionen über Welt- und Menschenbilder wieder führen müssen. Öffentlich. Kontrovers. Gerade auch im Umfeld von Wirtschaft und Wissenschaft.

In der Wissenschaft und gerade auch in den Studien für die Politik haben wir systematisch daran glauben wollen, dass diese Studien neutral und objektiv seien, aber die Paradigmen von Materialismus und Industrialismus sowie die Konsequenzen des homo oeconomicus liegen diesen Studien einfach unausgesprochen zu Grunde. Dass es eben Paradigmen sind und nicht die Wahrheit. Dass Paradigmen eben Axiome sind – Grundannahmen. Und dass Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in diesen Forschungen und Studien eben nicht neutral und objektiv und absolut sind, sondern abhängig von diesen Paradigmen.

Diese Diskussion findet gegenwärtig nicht statt – weil wir einfach glauben, dass Wissenschaft und Studien unabhängig und neutral und objektiv seien.

Dabei weiss jeder Mensch, insbesondere viele Frauen und viele Kinder, dass viele Aspekte des menschlichen Lebens nicht planbar und vermessbar sind. Oder hat Gender Mainstreaming in diesem Aspekt Frauen bereits mit den Männern gleichgeschaltet, weil nun auch Frauen ihre persönlichen Denkfreiheiten geopfert haben und sich den Sachzwängen von Karriere und wirtschaftlichem Erfolg untergeordnet haben, wie Männer dies seit 200 Jahren seit der Frühindustrialisierung systematisch tun?

Diese Diskussion findet gegenwärtig nicht statt – weil wir akzeptiert haben, dass der Mensch ein homo oeconomicus ist, der primär ökonomische Bedürfnisse hat und sich entsprechend auch ökonomisch sinnvoll verhält. Sogar die Wertediskussion hat uns in die Irre geführt, weil auch „Werte“ letztlich einem ökonomischen Konzept entstammen. Übrigens eine Diskussion, die wir mit dieser Begrifflichkeit in dieser Art vor einer Generation noch gar nicht geführt haben. So sind wir heute selbstverständlich bereit, menschliche und gesellschaftliche Werte volkswirtschaftlich zu berechnen und zu vergleichen – in Franken, Euro und Dollars. Und so werden wir wohl auch zum Schluss kommen, dass Roboter aus betriebswirtschaftlicher Sicht mehr wert sein werden als arbeitende Menschen.

Wo ist denn nun die grosse Wertediskussion geblieben, die unsere Bundesräte, die das World Economic Forum nach der grossen Banken- und Börsenkrise 2007/2008 so dringend gefordert haben?

Wie bemerkte doch mein Futurologen-Kollege Gerd Leonhard im ZeitSicht Talk von heute Morgen in der Stadtbibliothek Basel so treffend? Zwei „Gläubigkeiten“ seien wieder radikal am ansteigen: Die Finanzgläubigkeit und die Technikgläubigkeit.

Angesichts von Cyber Space und Artificial Intelligence müssen wir diese Diskussion von neuem führen: Ist ein Human Engineering des menschlichen Lebens wirklich möglich und gut für die Persönlichkeit des Menschen? Ist ein Social Engineering wirklich möglich und gut für menschliche Gemeinschaften?

Nicht etwa weil wir Angst vor Veränderungen haben, Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Oder wie Peter Zadek zu Recht kritisierte: „Mich nerven Leute, die aus Angst stehengeblieben sind, obwohl sich die Welt um sie herum längst verändert hat.“ Aber weil wir Verantwortung wahrnehmen wollen und weil wir frei entscheiden wollen. Denn Innovation und Veränderungen sind kein Selbstzweck, wir wollen nicht, dass die Zukunft der menschlichen Gesellschaft und des menschlichen Wesens aufgrund technischer und ökonomischer Sachzwänge entschieden wird. Nein, es geht nicht darum, dass hier ein konservativer Zukunftsforscher selbst Angst vor der Zukunft hat, sondern darum, worauf bereits der liberale Aufklärer Jean-Jacques Rousseau hingewiesen hat: „Bevor man daran denkt, einen eingeführten Brauch zu zerstören, muss man ihn wohl abwägen gegen die Bräuche, die an seine Stelle treten werden.“

Q wie Quorn

Hunger ist seit Menschengedenken eines der grössten Probleme der Menschheit.

Die UNO schätzt, dass heute über 800 Millionen Menschen hungern. Quorn steht stellvertretend für industriell hergestellte Nahrungsmittel. Es ist ein proteinreiches und cholesterinarmes Gemisch aus Schimmelpilzmyzel, das mit Vitaminen und Mineralien angereichert und zu vegetarischem Fleischersatz verarbeitet wird.

Schweizer stellen hohe Ansprüche an Nahrungsmittel. Gesund müssen sie sein, natürlich, ästhetisch gefällig und typisch schweizerisch. Oder vielleicht so exotisch, wie wir uns unseren Urlaub vorstellen.

Offensichtlich ist der Mensch keine biologische Maschine, die Essen rein funktionell als Aufnahme von Treibstoff versteht. Essen besitzt eine wichtige kulturelle und soziale Bedeutung, ja manchmal sogar eine religiöse Komponente. Gemeinsames Jagen oder Ernten, gemeinsames Kochen und Essen haben eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung – und eine nostalgische Note. «Das schmeckt wie beim Grosi» ist wohl eine der höchsten kulinarischen Auszeichnungen in der Schweiz.

Trotzdem hat in unserer Generation Fast Food einen wichtigen Platz in der Ernährung eingenommen, solange es so aussieht, riecht und schmeckt, wie wir uns Essen vorstellen. Astronautennahrung hat einen schwierigen Stand ausserhalb der Raumkapsel und jenseits von Kindergeburtstagsfesten. Doch verschiedene Entwicklungen werden unsere Essgewohnheiten weiter beeinflussen. Zwar legen LOHAS grossen Wert auf natürliches, gesundes und authentisches Essen. Eine klare regionale Identifizierung, die die Exklusivität einer Speise unterstreicht und ihr beinahe kunsthandwerkliche Qualität verleiht, steigert den Liebhaberpreis durchaus.

Doch Nahrung als Ressource ist global zu wichtig, als dass sie sich hinfort an unseren traditionalistischen Vorstellungen orientieren könnte. Oder wenn wir aus Gründen der globalen sozialen Gerechtigkeit beginnen werden, ganzheitliche Verkehrs-, Energie-, CO2- und Ressourcenbilanzen für den Herstellungsprozess unserer Nahrungsmittel auszurechnen – so, wie dies heute in den Schulen bereits thematisiert wird. Demnach ist zu erwarten, dass auch bei der Nahrung die Akzeptanz gegenüber neuen Materialien und Gemischen aufgrund sowohl ethischer Verantwortung als auch finanzieller Knappheit weiter zunehmen wird – gegenüber Fleisch- und Fischresten, die wir heute an Tiere verfüttern, oder gegenüber Insekten, die schon heute in Asien und Afrika gegessen werden. Was durchaus traditionell wäre, denn einst hat in Europa die breite Bevölkerung Brei und Eintopf gegessen. Hauptsache, das Essen wird weiterhin so aussehen, riechen und schmecken, wie wir das heute von Essen erwarten – mindestens als Hamburger, Fischstäbchen oder Dosenravioli.

P wie Patente

R wie Ressourcen

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P wie Patente

In einer Gesellschaft, die sich an einem wirtschaftlichen Weltbild orientiert, sind Patente existenziell, denn Patente sichern das exklusive Recht, eine Erfindung selbst kommerziell zu verwerten respektive dies anderen zu erlauben oder zu verbieten. In einer Welt, in der das Streben nach Innovationen und Verbesserungen eine der höchsten Tugenden darstellt, sollen Patente die ökonomischen Grundlagen dieses Strebens sichern. Wer die Forschungs- und Entwicklungskosten trägt, hat Anrecht auf eine angemessene Rendite.

Als Bauern würden wir sagen: Nur derjenige darf ernten, der auch gesät hat. Nur derjenige darf Äpfel ernten, der den Baum gepflanzt hat.

Und diese Äpfel zeigen uns, weshalb dieses Prinzip heute gefährdet ist: Viele Bäume wurden nämlich von Vorgängern gepflanzt. Warum soll also nicht die ganze Nachwelt am Nutzen partizipieren dürfen? Und Mundraub ist doch kein Diebstahl, schliesslich bin ich auf meinem Sonntagsspaziergang gerade jetzt so hungrig und die Shops sind alle so weit weg und es hängen noch genug andere Äpfel am Baum. Und der Apfel hängt über dem öffentlichen Weg. Und überhaupt …

So scheint angesichts der Dynamik im virtuellen Raum der Schutz von geistigem Eigentum kaum noch möglich zu sein. Ein Musikstück, ein Film, ein Foto, eine Geschäftsidee, ein Konstruktionsplan – der Cyberspace ist öffentlicher Raum; also bedient sich die weltweite Cybercommunity in selbstverständlicher Weise. Früher nannte man das «volkseigenen Besitz». Der Besitzer des Patents darf das Patent gerne weiterhin besitzen – aber im Cyberspace will ich es selbstverständlich gratis nutzen dürfen. Was dieses Verständnis von Eigentum für zukünftige Generationen heissen könnte, gehört aus Sicht der liberalen Marktwirtschaft in den Bereich des «Doom Saying».

O wie Orakel

Q wie Quorn

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N wie Nanotechnologie

Nanotechnologie ist eines der Trendworte für Fortschritt. Für technischen Fortschritt. Für kontrovers und emotional diskutierten technischen Fortschritt.

Fortschritte in Materialtechnologie sind einer der grossen Treiber des Fortschritts in unserer Gesellschaft. Sie haben uns entscheidende Vorteile in Sicherheit und Bequemlichkeit gebracht. Doch Fortschritt bedeutet immer auch Veränderung und Konfrontation mit Neuem. Und Fortschritt bedeutet auch weg von der Natur und hin zu einer Kultur.

Ausgehend vom Gedanken, dass in Tat und Wahrheit niemand wirklich «zurück zur Natur» will. Zur Erholung in die ruhige, blühende und schmetterlingsschwangere Umwelt schon – aber wirklich zurück zur Natur? Also quasi in die Steinzeit, als wir noch Kleider aus Pelz trugen, Feuer aus Steinen schlugen und Kannibalismus noch kein Tabu, sondern Ausdruck der damaligen Werthaltung war.

Klar, so extrem denkt das natürlich niemand. Aber im Prinzip geht es eben doch um die Angst vor Neuem, vor Unnatürlichem, vor Menschgemachtem, dessen Risiken und Auswirkungen wir noch nicht aus Jahrzehnten eigener Erfahrung abschätzen können.

Ein wichtiger Aspekt des technischen Fortschritts ist die Verkleinerung – bis hin zur Unsichtbarkeit. Denn «nãnos» steht für «Zwerg». Ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter und ist folglich ungefähr 2 000-mal dünner als ein Haar. Aufgrund dieser Winzigkeit weisen künstlich hergestellte Nanomaterialien neue Eigenschaften und Funktionen auf. Und da die menschliche Gesellschaft keinerlei Erfahrung mit solchen «Kleinigkeiten» hat, ist das eigentlich unvorstellbar. Kann es wirklich sein, dass diese neuartigen synthetischen Materialien für Mensch und Umwelt unbedenklich sind? Die Fortschritte in der Nanotechnologie eröffnen ungeahnte neue Möglichkeiten, gerade in den Bereichen Medizin, Ernährung, Abfall und Umwelt.

Beinahe zu schön, um wahr zu sein, denn solche risikolosen Wunder erhoffte sich die Generation unserer Grosseltern auch schon von der Nukleartechnologie. Angst vor neuen Technologien, die die Welt und die Gesellschaft verändern könnten, begegnen wir am besten mit öffentlichen Diskussionen zwischen Wissenschaft, Industrie und Gesellschaft.

M wie Migration

O wie Orakel (folgt demnächst)

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M wie Migration

Obwohl der Mensch schon immer ein tiefes Bedürfnis nach Heimat verspürte, war er immer auch ein Wanderer und Nomade – und offensichtlich wird er es auch bleiben. Sei es der Berufspendler als Tageszeitenmigrant. Sei es der Freizeitmigrant am Wochenende oder im Urlaub. Sei es der Einzelne, der nicht im Land der Vergangenheit sein Leben verbringen will, sondern ein anderes Land der Zukunft sucht. Oder seien es die grossen Ströme der Völkerwanderung. Einst verdrängten die wilden Barbaren die dekadenten Römer. Heute befürchten einige anscheinend, dass die mobilen Afrikaner und Asiaten die dekadenten Europäer verdrängen. Das bringt Veränderung – und somit Stress und einen erheblichen Verhandlungsbedarf – für diejenigen, die in der Heimat bleiben dürfen und sich von Fremden provoziert fühlen. Und für diejenigen, die aus irgendeinem Motiv die Heimat ihrer Eltern verlassen, um sich eine neue Heimat für ihre Zukunft zu suchen. Und für viele ist auch schon der Wechsel von einer ehemaligen Basler Bank nach Zürich ein gewaltiger Schritt.

L wie LOHAS

N wie Nanotechnologie

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J wie Japan

Trotz Globalisierung im Konsum-, Urlaubs- und Geschäftsverhalten sind noch immer die wenigsten Europäer in der Lage, Japaner, Chinesen und Südkoreaner zu unterscheiden. Oder die verschiedenen asiatischen Kulturen und Religionen zu differenzieren. Oder die jeweiligen Volkswirtschaften. Wenngleich für uns der Unterschied zwischen der Schweiz, Deutschland und Österreich riesig und absolut wichtig ist. Oder jener zwischen der Schweiz und Schweden. Dabei zeigt sich in allen volkswirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Prognosen übereinstimmend: Die Bedeutung Asiens ist sehr stark am Wachsen. Ob diese Wachstumsenergie weiterhin in die Wirtschaft fliesst oder in einen binnenasiatischen Verteilkrieg um Ressourcen oder in einen Bürgerkrieg um die politische Vorherrschaft in den riesigen und in sich sehr heterogenen Staaten China und Indien, sind konträre Szenarien mit unterschiedlichsten Folgen für die Weltwirtschaft. Das Bild Japans ist dabei für viele sehr schablonenhaft. Liegt das kleine Japan nicht hinter dem grossen China? Vage erinnern wir uns an die Erfolgsgeschichte des Kaizen in den 80er-Jahren. Der Nikkei-Aktienindex ist seither auf ein Viertel des damaligen Werts gefallen. Getrieben durch unsere urbane Umwelt und unsere wirtschaftlich unersättlichen Ambitionen, suchen wir manchmal inneren Frieden und Erholung in den Übungen des Zen, weil wir die Geschichten der christlichen Wüstenväter und Mystik nicht kennen. Schliesslich wollen wir ja auch spirituell aufgeschlossen und auf keinen Fall religiös sein. Dabei übersehen wir leicht einen signifikanten Einfluss auf die Jugend- und Unterhaltungskultur – insbesondere auf Computerspiele und Manga. Denn hier findet eine grosse Veränderung des Menschenbilds statt, die uns im europäischen Kulturraum fremd ist. Wer sich in diesen virtuellen und fantastischen Welten bewegt, akzeptiert heute selbstverständlich Mischwesen, seien dies Mensch-Tier-, Mensch-Dämon- oder Mensch-Roboter-Wesen. Die Frage, was die menschliche Identität ausmacht und was den Menschen von anderen Kreaturen unterscheidet, beschäftigte die europäische Philosophie und Theologie über Jahrtausende. Hier treffen wir in selbstverständlicher Weise auf neuartige, neu geschaffene Identitäten. So erstaunt es auch nicht, wie offen und offensiv die japanische Gesellschaft mit Human Enhancement, Artificial Intelligence und Robotern als Hilfen und Gefährten für Alltag und Haushalt umgeht, sei dies der Roboter in der Automobilindustrie, in der Altenpflege oder gar als Sextoy in Menschengestalt. Aber vielleicht sollten wir uns wieder vermehrt für Japan interessieren, denn das Land sammelt seit Jahrzehnten Erfahrungen mit Urbanisierung, öffentlichem Verkehr – und einer Bevölkerung, in der immer weniger Kinder geboren werden und die Senioren immer länger leben.

 

I wie Insekten

K wie Kybernetik

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