Noch 3 Tage – Papa, wann sind wir endlich da?

Welcher Familienvater am Steuer auf der Reise in den Urlaub kennt nicht das ungeduldige Drängeln seiner Kinder: Papa, sind wir endlich da? Papa, ist es noch weit? Papa, ist hier schon Urlaub?

Und wir erkennen, wie subjektiv das Verständnis von Zeit ist. Wie unmenschlich die Erfindung von Uhr und Kalender jenseits von Tageszeit und Jahreszeit war. Uhren sind Maschinen. Menschen unterwerfen ihr Leben den Uhren. Ergo sind auch Menschen Maschinen. Werden von Artificial Intelligence beseelte Roboter eigentlich zukünftig ihr Leben auch nach ihrer Uhr richten? Und wann wird die Uhr der Roboter abgelaufen sein?

Und wehmütig denken wir Väter zurück an unsere Schulsommerferien als Buben, als drei Wochen im Sommer ewig dauerten. Insbesondere, wenn wir alleine waren. Insbesondere, wenn alle Schulfreunde anderswo im Urlaub waren und wir niemanden zum Spielen gefunden haben. Insbesondere, wenn wir nach dem Mittagessen noch drei Stunden lang warten mussten, bis um 17 Uhr endlich das Kinderprogramm im TV begann. Und wir dann wieder eine Woche warten mussten, bis die Fortsetzung der Serie ausgestrahlt wurde.

„Die Jugend wäre eine schönere Zeit, wenn sie erst später im Leben käme“ erkannte schon Charles Chaplin.

Und heute? Wie häufig ärgern wir uns, wenn wir drei Stunden lang nichts geleistet haben, nichts Sinnvolles unternommen, nichts Produktives vollbracht haben. Sogar im Urlaub – wie können wir uns über drei verschwendete Stunden ärgern. Oder über unsere Frauen, wenn wir ihretwegen erst 30 Minuten zu spät losfahren können. Oder wegen unserer Kinder, wenn sie 30 Minuten zu spät vom Fussballspielen zum Essen auftauchen. Oder wegen des Trams, das schon wieder drei Minuten Verspätung hat. Ausser – wir haben wieder drei Stunden an unserem Computer im Cyber Space verbracht. Das ist natürlich etwas ganz anderes.

Pünktlichkeit scheint eine der wichtigsten menschlichen Tugenden in der zivilisierten Welt zu sein. Wehe, wenn unsere Kinder unentschuldigte Verspätungen in ihrem Schulzeugnis ausweisen, weil sie 3 Minuten zu spät im Klassenzimmer auftauchten – welcher Lehrbetrieb wird nicht sofort unverzeihend die Stirne runzeln, wenn er das Zeugnis unserer Kinder prüfend in der Hand halten wird …

Schon Seneca warnte: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Und der grosse Denker und Präger der europäischen Aufklärung Gotthold Ephraim Lessing lehrte: „Bester Beweis einer guten Erziehung ist die Pünktlichkeit.“ Wer hatte eigentlich damals im 18. Jahrhundert schon eine eigene und exakte Uhr?

Schliesslich ist Zeit ja Geld. Und gesparte Zeit ist gespartes Geld. Die wir auf unserem Zeitsparkonto ansparen können. Und dann mit Zinsen und Zinseszinsen wieder beziehen können, wenn wir sie brauchten. Für unsere Frauen. Oder für unsere Kinder. Oder für unsere Freunde. Oder wie ging schon wieder Michael Endes Geschichte über Momo, die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte?

Wissen Sie, was sterbende Männer auf dem Sterbebett am meisten bereuen? «Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet». … Und dafür mehr Zeit für meine Frau gehabt … Und dafür mehr Zeit für meine Kinder gehabt … Und dafür mehr Zeit für meine Freunde gehabt … Was wohl zukünftig sterbende berufstätige Frauen und Mütter sagen werden, wenn sie zukünftig endlich die gleichen Chancen auf Karriere in Politik und Beruf erhalten werden, die sie angeblich so dringlich fordern?

Und plötzlich sind die drei Tage eines langen Wochenendes vorbei. Aber erholt haben wir uns nicht. Vor lauter Sorge um unsere Zeit.

 

Alles hat seine Zeit. Jedes Ding hat seine Stunde unter dem Himmel.

Das Geborenwerden hat seine Zeit,
und das Sterben hat seine Zeit.
Das Pflanzen hat seine Zeit,
und das Ausroden der Pflanzung hat seine Zeit.
Das Töten hat seine Zeit, und das Heilen hat seine Zeit.
Das Niederreißen hat seine Zeit,
und das Aufbauen hat seine Zeit.
Das Weinen hat seine Zeit, und das Lachen hat seine Zeit.
Das Trauern hat seine Zeit, und das Tanzen hat seine Zeit.
Das Steine werfen hat seine Zeit, und das Steine sammeln hat seine Zeit.
Das Umarmen hat seine Zeit, und das Sich-meiden hat seine Zeit.
Das Suchen hat seine Zeit, und das Verlieren hat seine Zeit.
Das Aufbewahren hat seine Zeit, und das Wegwerfen hat seine Zeit.
Das Zerreißen hat seine Zeit, und das Zusammennähen hat seine Zeit.
Das Schweigen hat seine Zeit, und das Reden hat seine Zeit.
Das Lieben hat seine Zeit, und das Hassen hat seine Zeit.
Der Krieg hat seine Zeit, und der Friede hat seine Zeit.

Die Zukunft der akustischen Landschaft Schweiz – eine Analyse von langfristigen Megatrends

Unsere Studie für das Bundesamt für Umwelt ist heute publiziert worden, sie ist via Internet als pdf in Deutsch, Französisch und Englisch verfügbar.

Auftrag

Um Impulse zur Entwicklung der zukünftigen Strategie der Lärmbekämpfung zu liefern, sollen lärmrelevante Zukunftstrends erkannt, beschrieben und mit Hilfe der DPSIR-Methode analysiert werden. Dabei soll einerseits ein langfristiger Zeithorizont gewählt werden, andererseits soll auf die bekannten und in der Fachwelt als wahrscheinlich angenommenen Trends fokussiert werden. (Kapitel 2)

Methodik

Um diese Trends beschreiben und analysieren zu können, soll mit sogenannten Megatrends gearbeitet werden. Megatrends sind langfristige soziale, ökonomische, politische oder technische Veränderungen, die Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Technologie über mehrere Jahrzehnte hinweg strukturell beeinflussen. Dabei gibt es keine verbindliche Definition und keinen abschliessenden Katalog, was Megatrends sind, vielmehr sollen diese aus relevanten Zukunftsstudien abgeleitet werden. (Kapitel 3.5.)

Um bewusst langfristig analysieren zu können, soll der Zeithorizont „2050“ verwendet werden, wobei dies nicht im kalendarischen Sinne gemeint ist. Vielmehr geht es darum, bewusst mit einem Zeithorizont zu arbeiten, der die üblichen politischen und behördlichen Planungs- und Entscheidungs-Zyklen übersteigt. Das Jahr 2050, also ein Zeithorizont von rund 40 Jahren, steht also als symbolischer Zeithorizont für nachhaltiges Planen. Die Chance einer derartig langfristigen Betrachtungsweise besteht darin, dass im Sinne der Früherkennung Veränderungen aufgespürt werden, die heute erst als schwache Signale eingestuft werden. Sie erscheinen somit heute gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich vielleicht noch nicht als relevant, könnten aber zukünftig sehr wohl eine grosse Bedeutung haben – sowohl als Risiko aber auch als Chance. (Kapitel 3.3, 5)

Zur Analyse der langfristigen Megatrends soll das DPSIR-Modell der Europäischen Umweltagentur als eine wichtige Methode zur Arbeit mit Umweltinformationen angewendet werden. Dabei zeigt die vorliegende Studie, dass die vorgegebene DPSIR-Methode an ihre Grenzen stösst, da Megatrends nicht einfach isolierbare „Driver“ mit eindeutiger Wirkungsweise sind, sondern ein komplexes Konglomerat von Treibern, Belastungen, neuen Zuständen, Wirkungen, Nebenwirkungen und Rückkopplungen darstellen, die aufgrund der Randbedingungen dieser Studie nicht tiefer behandelt werden konnten. (Kapitel 3.7, Anhang 1 Kapitel 8.2)

Weitere Methoden zur vertieften Beschäftigung mit möglichen zukünftigen akustischen Landschaften in der Schweiz sind das Arbeiten mit Zukunftsszenarien, das Arbeiten mit Wild Cards bzw. Black Swans, sowie die Modellierung von qualitativen oder quantitativen Prognosemodellen. Auf diese Methoden wurde aufgrund der Randbedingungen dieser Studie verzichtet. Die vorliegenden Erkenntnisse, Beschreibungen der Megatrends sowie Detailanalysen im Anhang stellen aber eine geeignete Grundlage für eine entsprechende Weiterarbeit dar. (Kapitel 3.6)

Megatrends

Aufgrund der Literaturrecherche wurden folgende acht Megatrends ausgewählt (Kapitel 3.5 und 6):

Tabelle 1: Kurze Beschreibung der acht Megatrends

Demografische Entwicklung Bevölkerungswachstum global und in der Schweiz, Migration in die Schweiz hinein, Strukturwandel in der Bevölkerung durch Langlebigkeit und niedrige Geburtenziffer
Technischer Fortschritt Fortschrittsglaube, Technikakzeptanz, Informations- und Kommunikationstechnologie, Digitalisierung, Cyber Space, Miniaturisierung, Datenschutz, Human Enhancement, Nebenwirkungen, Umweltbelastungen, Systemrisiken, Ethik
Globalisierung globale Vernetzung und Mobilität, Migrationsströme, Internationalisierung von Wirtschaft und Politik, Bedeutungszuwachs der supranationalen Organisationen
Verschärfung der ökologischen Situation Verknappung natürlicher Ressourcen, insbesondere fossile Energiequellen, Klima und Witterung, Ökosysteme, Biodiversität, Abfall
Urbanisierung Megacities, Verstädterung, verdichtetes Bauen, Nutzungsdurchmischung, globale Durchmischung der städtischen Kulturen und 24-h-Gesellschaft
Wirtschaftlicher Strukturwandel zur Informationsgesellschaft Weiterentwicklung von III. zum IV. Sektor und Dominanz des quartären Sektors in der Schweiz, Cyber Space, New Work
Komplexitäts-, Vernetzungs- und Mobilitätszunahme inkl. zunehmender Interaktionen und Kommunikation
Wachsende Bedeutung des Lifestyle of Health and Sustainability LOHAS als neuer Leitkultur Langlebigkeit, Wohlstand in der zweiten Lebenshälfte, hohe Sensibilität für persönliche Gesundheitsfragen, für ökologische und sozialethische Anliegen, persönliche Bereitschaft in technische und medizinische Innovationen zu investieren

Thesen als Fazit

Als Fazit der auf den Megatrends aufbauenden DPSI(R) Methode werden elf Thesen formuliert (Kapitel 7 und Anhang 1 Kapitel 8.2 bis 8.5):

T1 „Ruhe“ ist auch zukünftig ein wichtiger Standortfaktor für Wohnen, Wirtschaft und Erholung, aber durch zahlreiche Entwicklungen ist dieser Standortfaktor in unterschiedlicher Weise gefährdet.
T2 „Durch die Zunahme von Interaktion und Mobilität bleibt die Eindämmung und Lenkung von „Mobilitätslärm“ eine zentrale Aufgabe der Lärmpolitik.“
T3 „Der technische Fortschritt wird grosse Erfolge an technischen Lärmquellen ermöglichen – wenn dieser Fortschritt entsprechend gefordert und gefördert wird.“
T4 „Technische Standards werden globalisiert werden.“
T5 „Der gesellschaftliche Konsens über Tageszeiten geht verloren, insbesondere über Mittags- und Nachtruhe sowie Feiertagsruhe.“
T6 „Der gesellschaftliche Konsens über das Verständnis von Lärm und Ruhe geht verloren.“
T7 „Nachbarschaftliche Konflikte aufgrund störender Geräusche werden zunehmen und aggressiver ausgetragen.“
T8 „Der Umgang mit Alltags- und Freizeitlärm wird an Bedeutung für die Lärmpolitik gewinnen. Diese Problematik kann nicht mit den bisherigen, quantitativ orientierten Ansätzen bewältigt werden.“
T9 „Im urbanen Raum wird das Bedürfnis nach Ruhe-Inseln in Fussdistanz zum Arbeitsplatz und zur Wohnung stark ansteigen.“
T10 „Die Akzeptanz von künstlichen Indoor-Lösungen als Erholungs- und Ruheräume wird steigen“
T11 „Umgang mit Lärm wird Bestandteil eines umfassenden Gesundheitsverständnisses werden.“