«2050» ist ein ferner Horizont – doch weltweite Planungen zeigen, dass eine aktive Beschäftigung mit langfristiger Zukunft sinnvoll ist. Verschiedene Methoden können helfen, die Denkfallen von exakt berechneten Fehlprognosen zu vermeiden.Hier geht’s zu meinem aktuellen Artikel zur metrobasel Vision 2050.
(S.21, S. 22-24 Tagungsbericht)
Kategorie: Schweiz 2050
Die Zukunft der akustischen Landschaft Schweiz – eine Analyse von langfristigen Megatrends
Unsere Studie für das Bundesamt für Umwelt ist heute publiziert worden, sie ist via Internet als pdf in Deutsch, Französisch und Englisch verfügbar.
Auftrag
Um Impulse zur Entwicklung der zukünftigen Strategie der Lärmbekämpfung zu liefern, sollen lärmrelevante Zukunftstrends erkannt, beschrieben und mit Hilfe der DPSIR-Methode analysiert werden. Dabei soll einerseits ein langfristiger Zeithorizont gewählt werden, andererseits soll auf die bekannten und in der Fachwelt als wahrscheinlich angenommenen Trends fokussiert werden. (Kapitel 2)
Methodik
Um diese Trends beschreiben und analysieren zu können, soll mit sogenannten Megatrends gearbeitet werden. Megatrends sind langfristige soziale, ökonomische, politische oder technische Veränderungen, die Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Technologie über mehrere Jahrzehnte hinweg strukturell beeinflussen. Dabei gibt es keine verbindliche Definition und keinen abschliessenden Katalog, was Megatrends sind, vielmehr sollen diese aus relevanten Zukunftsstudien abgeleitet werden. (Kapitel 3.5.)
Um bewusst langfristig analysieren zu können, soll der Zeithorizont „2050“ verwendet werden, wobei dies nicht im kalendarischen Sinne gemeint ist. Vielmehr geht es darum, bewusst mit einem Zeithorizont zu arbeiten, der die üblichen politischen und behördlichen Planungs- und Entscheidungs-Zyklen übersteigt. Das Jahr 2050, also ein Zeithorizont von rund 40 Jahren, steht also als symbolischer Zeithorizont für nachhaltiges Planen. Die Chance einer derartig langfristigen Betrachtungsweise besteht darin, dass im Sinne der Früherkennung Veränderungen aufgespürt werden, die heute erst als schwache Signale eingestuft werden. Sie erscheinen somit heute gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich vielleicht noch nicht als relevant, könnten aber zukünftig sehr wohl eine grosse Bedeutung haben – sowohl als Risiko aber auch als Chance. (Kapitel 3.3, 5)
Zur Analyse der langfristigen Megatrends soll das DPSIR-Modell der Europäischen Umweltagentur als eine wichtige Methode zur Arbeit mit Umweltinformationen angewendet werden. Dabei zeigt die vorliegende Studie, dass die vorgegebene DPSIR-Methode an ihre Grenzen stösst, da Megatrends nicht einfach isolierbare „Driver“ mit eindeutiger Wirkungsweise sind, sondern ein komplexes Konglomerat von Treibern, Belastungen, neuen Zuständen, Wirkungen, Nebenwirkungen und Rückkopplungen darstellen, die aufgrund der Randbedingungen dieser Studie nicht tiefer behandelt werden konnten. (Kapitel 3.7, Anhang 1 Kapitel 8.2)
Weitere Methoden zur vertieften Beschäftigung mit möglichen zukünftigen akustischen Landschaften in der Schweiz sind das Arbeiten mit Zukunftsszenarien, das Arbeiten mit Wild Cards bzw. Black Swans, sowie die Modellierung von qualitativen oder quantitativen Prognosemodellen. Auf diese Methoden wurde aufgrund der Randbedingungen dieser Studie verzichtet. Die vorliegenden Erkenntnisse, Beschreibungen der Megatrends sowie Detailanalysen im Anhang stellen aber eine geeignete Grundlage für eine entsprechende Weiterarbeit dar. (Kapitel 3.6)
Megatrends
Aufgrund der Literaturrecherche wurden folgende acht Megatrends ausgewählt (Kapitel 3.5 und 6):
Tabelle 1: Kurze Beschreibung der acht Megatrends
Demografische Entwicklung | Bevölkerungswachstum global und in der Schweiz, Migration in die Schweiz hinein, Strukturwandel in der Bevölkerung durch Langlebigkeit und niedrige Geburtenziffer |
Technischer Fortschritt | Fortschrittsglaube, Technikakzeptanz, Informations- und Kommunikationstechnologie, Digitalisierung, Cyber Space, Miniaturisierung, Datenschutz, Human Enhancement, Nebenwirkungen, Umweltbelastungen, Systemrisiken, Ethik |
Globalisierung | globale Vernetzung und Mobilität, Migrationsströme, Internationalisierung von Wirtschaft und Politik, Bedeutungszuwachs der supranationalen Organisationen |
Verschärfung der ökologischen Situation | Verknappung natürlicher Ressourcen, insbesondere fossile Energiequellen, Klima und Witterung, Ökosysteme, Biodiversität, Abfall |
Urbanisierung | Megacities, Verstädterung, verdichtetes Bauen, Nutzungsdurchmischung, globale Durchmischung der städtischen Kulturen und 24-h-Gesellschaft |
Wirtschaftlicher Strukturwandel zur Informationsgesellschaft | Weiterentwicklung von III. zum IV. Sektor und Dominanz des quartären Sektors in der Schweiz, Cyber Space, New Work |
Komplexitäts-, Vernetzungs- und Mobilitätszunahme | inkl. zunehmender Interaktionen und Kommunikation |
Wachsende Bedeutung des Lifestyle of Health and Sustainability LOHAS als neuer Leitkultur | Langlebigkeit, Wohlstand in der zweiten Lebenshälfte, hohe Sensibilität für persönliche Gesundheitsfragen, für ökologische und sozialethische Anliegen, persönliche Bereitschaft in technische und medizinische Innovationen zu investieren |
Thesen als Fazit
Als Fazit der auf den Megatrends aufbauenden DPSI(R) Methode werden elf Thesen formuliert (Kapitel 7 und Anhang 1 Kapitel 8.2 bis 8.5):
T1 | „Ruhe“ ist auch zukünftig ein wichtiger Standortfaktor für Wohnen, Wirtschaft und Erholung, aber durch zahlreiche Entwicklungen ist dieser Standortfaktor in unterschiedlicher Weise gefährdet. |
T2 | „Durch die Zunahme von Interaktion und Mobilität bleibt die Eindämmung und Lenkung von „Mobilitätslärm“ eine zentrale Aufgabe der Lärmpolitik.“ |
T3 | „Der technische Fortschritt wird grosse Erfolge an technischen Lärmquellen ermöglichen – wenn dieser Fortschritt entsprechend gefordert und gefördert wird.“ |
T4 | „Technische Standards werden globalisiert werden.“ |
T5 | „Der gesellschaftliche Konsens über Tageszeiten geht verloren, insbesondere über Mittags- und Nachtruhe sowie Feiertagsruhe.“ |
T6 | „Der gesellschaftliche Konsens über das Verständnis von Lärm und Ruhe geht verloren.“ |
T7 | „Nachbarschaftliche Konflikte aufgrund störender Geräusche werden zunehmen und aggressiver ausgetragen.“ |
T8 | „Der Umgang mit Alltags- und Freizeitlärm wird an Bedeutung für die Lärmpolitik gewinnen. Diese Problematik kann nicht mit den bisherigen, quantitativ orientierten Ansätzen bewältigt werden.“ |
T9 | „Im urbanen Raum wird das Bedürfnis nach Ruhe-Inseln in Fussdistanz zum Arbeitsplatz und zur Wohnung stark ansteigen.“ |
T10 | „Die Akzeptanz von künstlichen Indoor-Lösungen als Erholungs- und Ruheräume wird steigen“ |
T11 | „Umgang mit Lärm wird Bestandteil eines umfassenden Gesundheitsverständnisses werden.“ |
Herbsttagung 2012: Ein Blick auf 2050
SGVW-Herbsttagung 2012 in Kooperation mit swissfuture
Freitag, 23. November 2012, 09.00 – 16.00 Uhr, Universität Bern, von Roll-Areal, Hörsaal 104, Fabrikstarsse 6, 3012 Bern
Ein Blick auf 2050: Zukünftige Herausforderungen des Staates angehen und gestalten
„Gouverner c’est prévoir“ – Dieser Leitsatz staatlichen Handelns stellt Politik und Verwaltung in einer zunehmend vernetzten und komplexen Welt, die einem ständigen Wandel ausgesetzt ist, vor steigende Anforderungen. Verlässliche Prognosen über mittel- bis langfristige Entwicklungen werden durch wachsende Unsicherheit erschwert. Trotzdem ist die Politik für Planungs- und Investitionsentscheide auf verlässliche Zukunftsannahmen angewiesen. Die Tagung befasst sich mit einzelnen Treibern des Wandels, die unsere Gesellschaft und den Staat in den nächsten Jahrzenten prägen werden und zeigt auf, wie mittels Szenarien die Entscheidungsträger von heute bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt werden können.
Unter der Moderation von Dr. Katja Gentinetta, Gesprächsleiterin beim Schweizer Fernsehen, sprechen und diskutieren folgende Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft:
- Dr. Guy Morin, Regierungspräsident Kanton Basel-Stadt
- Markus Notter, ehem. Regierungsrat Kanton Zürich
- Heinz Karrer, CEO Axpo Holding AG
- Dr. Hans Werder, Verwaltungsrat Swisscom
- Dr. Lorenzo Cascioni, Leiter Sektion Planung & Strategie Bundeskanzlei
- Dr. Peter Grünenfelder, Staatsschreiber Kanton Aargau
- Yves Rossier, Staatssekretär im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
- Dr. Andreas Schächtele, Generalsekretär Departement Bildung, Kultur und Sport, Kanton Aargau
- Prof. Dr. Daniel Wachter, Leiter Nachhaltige Entwicklung, Bundesamt für Raumentwicklung
- Georges T. Roos, Vorstand swissfuture
- Dr. Daniel Müller-Jentsch, Avenir Suisse
- Dr. Andreas M. Walker, Co-Präsident swissfuture
- Prof. Dr. Torsten Wulf, Philipps-Universität Marburg
Die Tagung richtet sich an ein politisch interessiertes Publikum, an Mitglieder der politischen Exekutive und Legislative, Führungskräfte der Verwaltung in Städten und Gemeinden, in den Kantonen und im Bund, an die Vertreter der Wissenschaft und an ein interessiertes Fachpublikum.
Weitere Informationen und Anmeldung hier.