Offenbar ist der Mensch doch kein reiner homo oeconomicus, denn 48% erhoffen sich für 2012 eine sinnvolle und zufriedenstellende Aufgabe. Dies ist wichtiger als Erfolg am Arbeitsplatz (39%). Wir brauchen zwar Geld, um in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft überleben zu können, aber um glücklich zu sein, ist die Sinnfrage gerade auch am Arbeitsplatz doch noch wichtiger als die reine Geldfrage.
Diese Gewichtung wird durch einige demografische Unterschiede pointiert: Sie gilt für 53% der Frauen aber nur für 44% der Männer. Und sie nimmt mit steigendem Bildungsniveau zu: so wünschen sich 59% der Universitäts- und Hochschulabsolventen eine sinnvolle Arbeit – aber nur 43% der Berufsschulabsolventen nennen diese Hoffnung.
Für dieses Thema wird auch persönliches Engagement investiert. Bei der Frage „Für welche Bereiche haben Sie sich 2011 persönlich engagiert?“ antworten immerhin 34% in diesem Sinne. Der Verlust des Lebenssinns ist bei der Frage „Wann in Ihrem Leben waren Sie schon besonders verzweifelt und hoffnungslos?“ die 5.-häufigste Antwort. Und bei der Frage „Welche Ihrer bisherigen Erfahrungen stärken Sie in Ihrer Hoffnung?“ nennen 45% „Der Dank von Leuten, denen ich geholfen habe“ und 33% nennen „Gutes Tun für einen sinnvollen Zweck“.
![]() Die Sinnfrage motiviert. Der Mensch möchte sich identifizieren mit seinen Aufgaben und seiner Umgebung. Wo Sinn- und Wertelosigkeit herrschen, erkranken Menschen, Unternehmen, Wirtschaft und die Gesellschaft. Der grösste Teil der Umfrageteilnehmenden möchte eine Kultur, die sinnvolle Rahmenbedingungen, menschliches Wachstum zulässt und das Stiften von Nutzen für andere Menschen in den Mittelpunkt stellt, eine „neue Beziehungsqualität“ im Sinne eines förderlichen, selbstwertstärkenden „Miteinander Umgehens“ ermöglicht. Leider kommen die Führungspersönlichkeiten als Hoffnungsträger sehr schlecht weg. Wohl gerade deswegen, weil sie diese Kultur nicht bieten können oder wollen. Der Hauptdenk- und Lernfehler ist, dass wir „Nehmen“ wollen ohne zu „Geben“. Frau Pircher-Friedrich meint denn auch, dass wir zuerst geben müssen, bevor wir nehmen können. Unser egozentrisches, kurzsichtiges, lineares und fragmentierendes Denken steht persönlichem und dem Wachstum und Erfolg im Wege. [Es ist deshalb wichtig, dass Unternehmen und Werke auch Geisteshaltungen, Vorbilder, Visionen, Werte und Hilfestellungen anbieten, die dem Menschen seine Würde im Sinne eines freien, authentischen Wesens wiedergeben, den Menschen in seine Verantwortung wieder zurückführen und ihn zu Spitzenleistungen herausfordern. |
Reblogged this on Hoffnung2012.
Dorothea Heymann-Reder, Autorin und Übersetzerin
Mich wundert nicht, dass Menschen den Sinn ihres Daseins (auch) jenseits von Gelderwerb und Protz sehen. Dem Mammon hinterherzulaufen hat nichts mit Menschenwürde zu tun. Noch viel weniger wundert es mich, dass es überwiegend Frauen sind, die so denken. Man schaue sich nur einmal die Erwerbsbevölkerung an: Frauen landen nun einmal häufiger in schlechter bezahlten, subalternen Positionen, die wenig Freude und Gestaltungsspielraum zulassen, und/oder sie versehen neben der Familienarbeit allenfalls Teilzeitstellen. Da ist es nur logisch, dass sie die Sinnfrage stärker betonen, schon allein aus Selbstachtung. Unabhängig davon sieht man aber auch viele beruflich stark beanspruchte Menschen, auch Männer, in ehrenamtlicher Funktion oder kreativen, Sinn stiftenden Freizeitangeboten.
Soziale Beziehungen waren eben schon hunderttausend Jahre vor Erfindung des Geldes wichtig. „Générosité“, d.h. Großzügigkeit, war das ritterliche Ideal im Mittelalter. Geben, um zu gelten. Helfen, um Hilfe zu erfahren, lieben, um wiedergeliebt zu werden.
Ich freue mich über die Informationen und das Zahlenmaterial in diesem Blogbeitrag, ein guter Denkanstoß, herzlichen Dank.