Vorbemerkung
Gemäss den Daten der letzten eidgenössischen Volkszählung zählten sich im Jahr 2000 noch 79% der schweizerischen Bevölkerung zu christlichen Kirchen und Gemeinschaften, 5% zu anderen Glauben- und Religionsgemeinschaften, 11% waren ohne Zugehörigkeit und 4% gaben keine Auskunft zu ihrem Glauben (vgl. BOVAY 2004). Die anderen Religionsgemeinschaften sind insbesondere die stark wachsenden aber in der Schweiz nicht öffentlich-rechtlich anerkannten islamischen Gemeinschaften. So haben 1970 noch 16‘300 Muslime in der Schweiz gewohnt, für 2007 schätzt BAUMANN (2007) 440‘000 Muslime. In einzelnen Kantonen sind die jüdischen Gemeinschaften öffentlich-rechtlich anerkannt, wobei im Jahr 2000 nur in den Kantonen Zürich, Genf, Waadt und Basel-Stadt jeweils mehr als 1‘000 Angehörige dieser Gemeinschaften lebten. Zudem gibt es in der Schweiz zahlreiche weitere Gemeinschaften unterschiedlichster Herkunft und Ausprägung, wobei diese im Jahr 2000 weniger als 1% der Bevölkerung ausmachten. Dazu zählen etwa Buddhisten und Hindus, die in der Volkszählung 2000 erstmals als eigene Religionen aufgeführt worden sind. BAUMANN erwähnt über 500 verschiedene religiöse Strömungen in der Schweiz. Die Grössenverhältnisse der verschiedenen Glaubens- und Religionsgemeinschaften verändern sich dabei seit 50 Jahren, insbesondere die beiden grossen traditionellen Kirchen sind am schrumpfen[1]:
Angehörige der evang. ref. Landeskirche | Angehörige der röm. kath. Landeskirche | Andere | |
1950 | 56% | 42% | 2% |
1970 | 46% | 49% | 5% |
1980 | 45% | 48% | 7% |
1990 | 41% | 46% | 13% |
2000 | 35% | 42% | 23% |
Als Trends für das letzte Jahrzehnt nimmt BAUMANN an, dass die beiden grossen Kirchen weiter schrumpfen, dass die religiöse Vielfalt zunimmt, dass der Islam weiter an Boden gewinnt und dass der Anteil an Personen ohne Religionszugehörigkeit wächst. Die eidgenössische Volkszählung 2010 wird aktuelle Zahlen liefern, die wir in zukünftigen Studien berücksichtigen können.
Vergleichende und analysierende Untersuchungen, welche Bedeutung Hoffnung in den verschiedenen Religionen hat, sind kaum bekannt. Eine Vorreiterinnenrolle spielt FINSTERBUSCH (2000), die Vertretungen und Fachleute der fünf Weltreligionen in ihrem Sammelband in selbst darstellender Weise zu Worte kommen lässt.
Sowohl was die vergleichende Untersuchung von Hoffnung im speziellen als auch was die vergleichende Untersuchung von positiven und negativen Zukunftsvorstellungen im allgemeinen in den grossen Religionen betrifft, und welchen Einfluss diese Vorstellungen auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft und auf die Religionsgemeinschaften selbst in einer zunehmend globalisierten Welt nehmen, besteht grosser Forschungsbedarf. Die einzige uns bekannte Plattform im Bereich der Zukunftsforschung ist das World Network of Religious Futurists (http://www.wnrf.org). Das WNRF arbeitet nach unserer Einschätzung primär unter den verschiedenen US-amerikanischen Kirchen, bietet aber gemäss Mission Statement „networks for Jewish, Christian, Muslim or Esoteric futurists“ an, im Leadership Council sind Zukunftsforschende aus USA, Israel, Pakistan und China vertreten.
In dieser Studie soll aufgrund der statistischen Bedeutung der Religionen in der Schweiz zuerst anhand anerkannter theologischer Handbücher das Hoffnungsverständnis des Christentums skizziert werden.
Anschliessend sollen auf der Grundlage von FINSTERBUSCH (2000), die in ihrem Sammelband Vertretungen und Fachleute der fünf grossen Weltreligionen zu Worte kommen lässt, kurze Einblicke in das Hoffnungsverständnis verschiedener grosser Weltreligionen gegeben werden.
Bei dieser kurzen Einführung in die Bedeutung von Hoffnung in den fünf Weltreligionen muss aber beachtet werden, dass diese Religionen im Detail betrachtet aus einer Vielzahl von religiösen Schulen, Bekenntnissen und Strömungen bestehen, die sich jeweils auf unterschiedliche geistliche Lehrer und zahlreiche Interpretationen ihrer religiösen Schriften berufen.
Um die Bedeutung von Hoffnung in den verschiedenen Glaubens- und Religionsgemeinschaften vergleichen zu können, muss zudem berücksichtigt werden, wie stark das Verständnis von Hoffnung kulturell, historisch und sprachlich geprägt ist. In einem späteren Kapitel weisen wir auf die Bandbreite der Synonyme und Antonyme für das Wort „Hoffnung“ in der deutschen Sprache hin. So darf ein fundierter interreligiöser Vergleich nicht zu schmal auf das Wort „Hoffnung“ fokussieren, sondern muss auch in einer linguistischen Analyse der entsprechenden Sprachen der religiösen Schriften die Vielzahl an verwendeten Worten, Begriffen und Konzepten berücksichtigen.
In Anbetracht der teilweise sehr heterogenen grossen Religionen und der Megatrends der Individualisierung und Globalisierung und unter Berücksichtigung des Pluralismus im religiösen Bereich in der Postmoderne hat gerade in der Schweiz die Bedeutung von Katechismus und Lehramt auch im religiösen Bereich in den letzten Jahrzehnten stark an Bedeutung verloren. So muss damit gerechnet werden, dass eine Person in der Schweiz sich durchaus aktiv zu einer der genannten fünf Weltreligionen zählt, aber die geschilderten Hoffnungskonzepte der eigenen Religion eventuell gar nicht kennt oder sie individuell anders interpretiert.
[1] http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/05/blank/key/religionen.html